Was ist am Jänner-Effekt dran?

Was ist am Jänner-Effekt dran?

Eine Börsenweisheit besagt, dass ein starker erster Monat auf ein positives Gesamtjahr schließen lässt. Doch die Datenlage dazu ist unklar.

Die Börsen sind so stark ins Jahr gestartet wie lange nicht. Der ATX legte im Jänner um 8,2 Prozent zu, der amerikanische Nasdaq 100 sogar um 10,6 Prozent. Eine Börsenweisheit besagt, dass der Kursverlauf im Jänner die grobe Richtung für den Rest des Jahres vorgibt. Mit anderen Worten: Beendet der Aktienmarkt den ersten Monat eines Jahres in der Gewinnzone, sollte er sich auch in den kommenden elf Monaten überdurchschnittlich entwickeln – und umgekehrt. Dieses sogenannte Jännerbarometer geht auf Yale Hirsch zurück, der den Effekt im Jahr 1972 erstmals im Stock Trader’s Almanac vorstellte. Eine theoretische Erklärung für diesen Effekt wären die Risikobudgets institutioneller Anleger: Nach Anfangsgewinnen des Index müssten sie weiter Gas geben oder, umgekehrt, infolge von Anfangsverlusten bremsen, was sich auf die weitere Entwicklung auswirken würde.

Doch was ist an dem Jänner-Effekt dran? Im Lauf der Zeit haben verschiedene Kapitalmarktstudien das Phänomen beleuchtet, etwa im Jahr 1995 („The January Barometer“). Dabei analysierten die Forscher Monatsdaten des S&P 500 von 1926 bis 1993 mit dem Ergebnis, dass eine gute Prognosegüte besteht, insbesondere wenn der Markt im Jänner steigt. Doch wie eine 2006 veröffentlichte Studie („The January Barometer: Further Evidence“) zeigte, gab es dabei methodische Mängel. Das Ergebnis dieser Untersuchung: Während ein schwacher Jänner auf ein schwieriges Jahr hinweisen kann, sagt ein starker Jänner wenig aus. Noch schlechter kommt das Barometer in einer Langfriststudie von CXO Advisory aus dem Jahr 2018 weg („January Barometer Over the Long Run“). Demnach war auf Basis der Daten über den langen Zeitraum von 1871 bis 2017 keine besonders große Korrelation zwischen Jänner und dem restlichen Jahr festzustellen.

Die neueste Studie kommt von HQ Trust – mit völlig anderen Ergebnissen. Die Experten betrachteten für ihre Untersuchung unter anderem die Performance des S&P 500 im Jänner und den darauffolgenden elf Monaten und zwar für den Zeitraum von 1925 bis 2022. Das Ergebnis: „Legte der S&P 500 im ersten Monat eines Jahres zu, gewann er in den elf Folgemonaten im Schnitt 12,1 Prozent hinzu“, so die Studienautoren. Schloss der amerikanische Leitindex den Jänner dagegen im Minus ab, lag die Wertentwicklung deutlich unter dem langfristigen Schnitt.

Aus den Ergebnissen lassen sich keine klaren Handlungsempfehlungen ableiten. Letztlich sollte man sich aber nicht zu sehr auf Börsenweisheiten und statistische Zusammenhänge verlassen und sich stattdessen immer die aktuellen Rahmenbedingungen an den Märkten ansehen. Der starke Jahresstart ist auf eine Gemengelage aus nachlassender Inflation, sinkenden Energiepreisen und der Wiederöffnung der chinesischen Wirtschaft zurückzuführen. Ob die positive Sicht vieler Marktteilnehmer Bestand hat, muss sich erst noch zeigen. Derzeit passen viele Analysten ihre wahrscheinlich etwas zu optimistische Zinseinschätzung zu Jahresbeginn an, denn die Notenbanken werden wohl länger und stärker auf der Bremse stehen als bislang angenommen. Während Raiffeisen RESEARCH zu Jahresbeginn mit einem prognostizierten Leitzins der EZB von 4,0 % in Q2 2023 zu den „Falken“ gehörte, scheint sich diese Einschätzung nun auf breiterer Front durchzusetzen. Diese Einsicht könnte ein gewisses Rückschlagspotenzial für die Aktienmärkte bergen, weshalb ein Sicherheitspuffer bei Investments im kurz- und mittelfristigen Bereich sicher eine Überlegung wert ist. 



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