Aktienmärkte global 🌻 August 2023

Aktienmärkte global 🌻 August 2023

Zinsen „higher for longer“?

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Raiffeisen Research für Halbjahr 2 eher defensiv orientiert: Zinsen, hohe Bewertungen und gute Stimmung als potenzielle Belastungsfaktoren

Es war bereits die dritte Verlustwoche an den Aktienmärkten in Folge. Was Anfang August mit der Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA begann, gewann zuletzt durch die Veröffentlichung des Fed-Protokolls weiter an Dynamik. Zur Einordnung: Das Sitzungsprotokoll der US-Notenbank offenbarte, dass potenzielle weitere Zinsschritte noch nicht gänzlich vom Tisch sind. "Da die Inflation immer noch deutlich über dem längerfristigen Ziel des Ausschusses liegt und der Arbeitsmarkt weiterhin angespannt ist, sehen die meisten Teilnehmer:innen weiterhin erhebliche Aufwärtsrisiken für die Inflation, die eine weitere Straffung der Geldpolitik erforderlich machen könnten", heißt es im Protokoll. Zwar wiesen einige Mitglieder des Offenmarktausschusses zugleich auf Risiken für die Wirtschaft durch zu starke Zinsanhebungen hin, die Aktienanlegerschaft aber hatte sich ein weniger restriktives Fazit erhofft.

Am Zinsmarkt wird die Wahrscheinlichkeit keines weiteren Zinsschrittes am 20. September zwar mittlerweile mit rund 90 % gepreist, die globalen Aktienmärkte setzten ihre Korrektur jedoch fort. Dies liegt unter anderem auch am Renditeanstieg am langen Ende der Zinskurve. Die Yield 10-jähriger US-Treasuries kletterte jüngst auf den höchsten Stand seit zehn Monaten, mit nicht unwesentlichen Folgen für das Growth-Segment. Der langfristige risikolose Zinssatz spielt eine wesentliche Rolle in Aktienbewertungsmodellen, wie z.B. dem Discounted-Cashflow-Verfahren. Gerade Unternehmen aus dem Technologiebereich erwirtschaften einen großen Teil ihrer Gewinne erst in ferner Zukunft und reagieren im Hinblick auf den höheren Diskontierungsfaktor der Cashflows besonders sensibel. In der jüngeren Vergangenheit herrschte ein inverser Gleichlauf zwischen dem NASDAQ-100 und den langfristigen Renditen am US-Anleihemarkt. Seit Q2 2023 war jedoch eine Entkopplung vom Zinsmarkt zu beobachten – der NASDAQ-100 legte das beste Halbjahr seit seiner Einführung (!) hin, trotz weiterhin hohem Renditeniveau.

Der Markthype um das Thema KI kann wohl einen Teil des zwischenzeitlichen Auseinanderdriftens erklären. Die künstliche Intelligenz stellt für Raiffeisen Research einen Megatrend dar, der Teil der digitalen Transformation ist und welcher einen ausgeprägten Investitionszyklus unterstützen sollte, der durchaus mittel- bis langfristig angelegt sein könnte. Zudem sehen wir die US Big Tech Unternehmen besonders gut positioniert, um diesen Megatrend an ihre bestehenden Geschäftsmodelle anzudocken, während es Marktneuankömmlinge schwer haben dürften. Damit sollte das KI-Thema bereits funktionierende Geschäftsmodelle der US Big Tech Firmen unterstützen. Zudem sollte die zunehmende geopolitische Fragmentierung gerade US Big Tech Firmen in Bezug auf ihre Geschäftsmöglichkeiten in den führenden westlichen Industriestaaten unterstützen. Chinesische Anbieter erscheinen nicht mehr als wirkliche Alternativen. Die schwache Entwicklung des chinesischen Aktienmarktes heuer und der Tech-Firmen dort könnte indirekt auch die US-Werte unterstützt haben. IT-Aktien werden daher auch auf die kommende Zeit eine essenzielle Rolle spielen. Die Bewegungen der letzten Wochen zeigen aber (für manche schmerzlich) auf, dass sich selbst der US Tech-Markt von gewissen Gesetzmäßigkeiten, wie dem zwischenzeitlich hohen Diskontierungsfaktor durch den Renditeanstieg, nicht gänzlich loslösen kann.

Die derzeitige Entwicklung kommt für uns jedenfalls nicht allzu überraschend. Nicht nur, dass wir uns aktuell im Hinblick auf die Saisonalität ohnehin in der zumindest historisch gesehen schlechtesten Börsenphase des Jahres befinden. Die Kursanstiege der letzten Monate führten auch zu einer spürbaren Erholung im Sentiment. Die Stimmungsaufhellung spiegelte sich nicht nur im Retailsegment wider. Auch im institutionellen Bereich herrscht mittlerweile wieder eine deutlich bessere Grundstimmung, wie sich an der jüngsten Umfrage unter Fondsmanagern (Global Fund Manager Survey der Bank of America) zeigt. Aus Kontraindikatorensicht war eine Konsolidierung daher zu erwarten.

Die Indexstände haben sich zuletzt Schritt für Schritt unseren Kurszielen angenähert und spiegeln daher exakt unsere vorsichtigere Haltung für die zweite Jahreshälfte wider. Wir halten an unserem Szenario fest und belassen unsere defensivere Positionierung bis auf Weiteres aufrecht. Die Berichtssaison kann als abgeschlossen betrachtet werden, sodass von dieser Seite kaum mehr (positive) Impulse zu erwarten sind. Da der Newsflow von der Bottom-up-Ebene austrocknet wird der Fokus des Aktienmarktes auf Makrothemen liegen. Vor allem das Wirtschaftsymposium in Jackson Hole wird besonders kritisch beäugt werden. Bis dahin ist daher durchaus noch mit erhöhter Volatilität zu rechnen, wobei je nach Wording der Notenbanker:innen im Hinblick auf den künftigen Zinspfad (higher for longer) auch weiterer vorübergehender Abgabedruck nicht auszuschließen ist.



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